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Kritik zum Musica Sacra Konzert „So shall he descend“ am 10.04.2022

    Zeitgenössische Passion in Linz
    Höhepunkt der Musica Sacra-Saison unter Dennis Russell Davies

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    Mit dem Passionskonzert am Palmsonntag in der Linzer Friedenskirche erreichte die Konzertreihe musica sacra ihren wohl künstlerischen Höhepunkt der laufenden Saison.
    Im Mittelpunkt des Chor-Orchester-Konzerts stand die österreichische Erstaufführung einer Passionsvertonung des Esten Toivo Tulev mit dem Titel „So shall he descend“. Eingeleitet wurde der Spätnachmittag mit Motetten u.a. von Anton Bruckner und — als Kontrapunkt — mit A-cappella-Chorwerken der Gegenwart.
    Tulevs Passionsvertonung basiert nicht auf einem Evangelien-Text, sondern vermutlich auf einem „Libretto“ des Komponisten in englischer Sprache. Sie setzt ein mit dem umjubelten Einzug Jesu am Palmsonntag in Jerusalem und endet mit seiner Dornenkrönung und dem Schrei der Masse „Kreuzige ihn“.
    Für den Komponisten wird in diesem Abschnitt der Passion Jesu deutlich, dass wir die Nachkommen jener Menschen sind, die den sich Jerusalem nähernden Erlöser umjubelten, aber schon bald darauf seinen Tod forderten.
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    Dem aufrüttelnden Text ist eine nicht weniger anspruchsvolle Musik in der Tonsprache und klanglichen Vielfalt der Gegenwart unterlegt. Die Leidensgeschichte Jesu lässt wenig Wohlklang zu. Doch die Instrumentierung ist Tulev (*1958) packend gelungen. Die Filharmonie Brno unter Dennis Russell Davies (dem früheren Linzer Orchester- und Opernchef) zeigte sich mit der Komposition bereits seit der Uraufführung in Brno vor drei Jahren vertraut.
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    Bewundernswerte tonale Perfektion aller Stimmen
    Respekt flößten auch die gesanglichen Leistungen ein: Claudia Goebl, Johanna Krokovay, Jan Petryka und Wolfgang Resch als Solisten sowie Lucie Netusilova, Jana Vondru und Pavla Radostova als „coro piccolo“.
    Der von Alexander Koller einstudierte Hard Chor Linz hatte wohl noch nie einen derart anspruchsvollen Part zu bewältigen. Bewundernswert die tonale Perfektion aller Stimmen. Mit allen Ausführenden konnte sich auch der anwesende Komponist über den berechtigten starken Beifall freuen.
    Alexander Koller und sein geradezu professioneller Großchor bewiesen schon im ersten Teil des Abends, was in ihnen an Perfektion und Stimmkraft steckt. In Kompositionen der Zeitgenossen Julia Wolfe, Vytautas Barkauskas und Knut Nystedt zeigten sich Gemeinsamkeiten in Lautstärken vom leisesten Pianissimo bis zum extremen, sogar von Sopran-Schreien begleiteten Fortissimo. In Nystedts 16-stimmigem „Miserere“ beeindruckte der Hard Chor Linz auch mit unglaublicher rhythmischer Präzision.
    Den stimmigen Raum für dieses besondere Passionskonzert steuerte die Linzer Friedens- und zugleich Christkönigs-Kirche mit ihrem monumentalen Apsis-Fresko von Max Weiler und den von der Nachmittagssonne durchfluteten farbintensiven Glasfenstern von Lydia Roppolt bei.
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    Oberösterreichisches Volksblatt am 11. April 2022

    https://volksblatt.at/kultur-medien/zeitgenoessische-passion-in-linz-678348/

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